Günther & Tegetmeyer
Hochleistungen im wissenschaftlichen Instrumentenbau
aus Braunschweig
               

Das Unternehmen fertigte unter anderem geodätische Instrumente, Apparate zur Beobachtung luftelektrischer Größen, Ionenaspiratoren, lichtelektrische Fotometer, Aktinometer, Pyranometer, Apparate zur Bestimmung der Radioaktivität von Luft-, Wasser- und Bodenproben, Elektrometer und Demonstrationsinstrumente für den Physikunterricht. Den Kundenkreis von Günther & Tegetmeyer bildeten Forschungsinstitute, Sternwarten, Hochschulen und Schulen auf der ganzen Welt – man unterhielt in Italien und Argentinien sogar Generalvertretungen.

In der Fachliteratur finden sich etliche Darstellungen von Forschungsprojekten, in denen auf die Verwendung von Geräten aus der Braunschweiger Werkstatt hingewiesen wird. Beispielsweise wurde der Astronom Paul Guthnick mit Fotometern von G&T zum Begründer der lichtelektrischen Sternenfotografie. Admiral Nobile setzte bei seinen Polarexpeditionen Geräte von G&T ein. Der österreichische Nobelpreisträger Victor F. Heß entdeckte die kosmische Strahlung mit Messgeräten von G&T. Auguste Piccard führte bei seinen berühmten Stratosphärenflügen G&T-Geräte mit.

I. Firmenchronik

Die Geschichte des Unternehmens Günther & Tegetmeyer beginnt im Frühjahr 1889: Der 26 jährige Oscar Günther nahm seinen Wohnsitz in Braunschweig und ging bei der dortigen Technischen Hochschule als Feinmechaniker in Anstellung. Ein Jahr nachdem er seine Arbeit in Braunschweig aufgenommen hatte, legte er die Meisterprüfung ab und machte sich mit einer „Werkstatt für Praecisions-Mechanik“ selbstständig. Als Spezialität seiner Anfertigungen nannte er Geräte zur Landvermessung. Besonders hervorzuheben ist die Herstellung eines Fototheodoliten nach Koppe, der einen Meilenstein in der Geodäsie markierte und für den er im Jahr 1900 auf der Weltausstellung in Paris mit einer Silbermedaille ausgezeichnet wurde.

1898 nahm Günther den 12 Jahre jüngeren Feinmechaniker Otto Tegetmeyer als Mitarbeiter in die Werkstatt. Tegetmeyer befand sich zuvor bei der Firma Hildebrand in Freiberg in Sachsen in Anstellung und hatte sich hier in der Kreisteilung spezialisiert.

Unmittelbar nachdem Tegetmeyer seine Meisterprüfung abgelegt hatte, unterzeichneten beide am 1. April 1901 einen Gesellschaftervertrag, mit dem sie die offene Handelsgesellschaft „Günther & Tegetmeyer – Werkstatt für wissenschaftliche und technische Praecisions-Instrumente“ gründeten. Ihre Werkstatt richteten sie in den Räumen einer ehemaligen Zigarrenfabrik ein.

Das Unternehmen expandierte. Man stellte Mitarbeiter ein und übernahm schließlich 1906 eine ehemalige Schlosserei als neues Werkstattgebäude. Auf zwei Stockwerke verteilt, verfügte die Fabrik nun über eine Nutzfläche von rund 290 Quadratmeter. Es waren ab jetzt im Schnitt 16 Mechaniker und Auszubildende beschäftigt.

In eine Phase der wirtschaftlichen Anspannung, Anfang der 1930ger Jahre, fällt der Tod von Oskar Günther und Otto Tegetmeyer wurde zum alleinigen Inhaber des Unternehmens.

Im Oktober 1944 erhielt das Fabrikgebäude von Günther & Tegetmeyer bei einem Luftangriff auf Braunschweig einen Bombenvolltreffer. Mit dem wenigen noch verwendbaren Inventar – die Geschäftsunterlagen gingen vollständig in Flammen auf – startete Otto Tegetmeyer zusammen mit den hinzugekommenen Teilhabern Theodor Kleinschmidt und Hans-Joachim Thilo in einem Kellerraum einer benachbarten Schule einen Neuanfang.

Die Geschäftsaussichten schienen günstig. Es wurden ein paar Geräte verkauft und es gingen vielversprechende Angebotsanforderungen ein. Von dem argentinischen Auslandsvertreter wurde der bevorstehende Abschluss eines Großauftrages als so sicher dargestellt, dass man unvermittelt mit der Fertigung begann. Nebenher versuchte man mit der Ausführung von Aufträgen für eine Spielautomatenfirma ein weiteres Standbein zu etablieren. Die Geschäftsbeziehungen zu der Spielautomatenfirma entwickelten sich jedoch verlustbringend und wurden wieder aufgegeben. Auch das Zustandekommen des Argentiniengeschäftes scheiterte. Günther & Tegetmeyer geriet in eine existenzbedrohende wirtschaftliche Lage.

In dieser Notsituation setzte sich Tegetmeyer im März 1949 mit der Geschäftsleitung des in Braunschweig ansässigen Zweigwerkes von Hartmann & Braun in Verbindung und bat um Hilfe. In der Geschäftsleitung von Hartmann & Braun erkannte man die Chance, durch eine Partnerschaft das weltweite Renommee von Günther & Tegetmeyer für das eigene Unternehmen zu nutzen.

Im Dezember 1952 schieden Tegetmeyer und Kleinschmidt aus dem Unternehmen aus und zogen sich ins Privatleben zurück. Die Günther & Tegetmeyer GmbH wurde zu einer reinen Vertriebsgesellschaft der Hartmann & Braun AG, die Hans-Joachim Thilo fortan leitete. In der zweiten Hälfte des Jahres 1954 übernahm Hartmann & Braun die Firma BERKELEY DIVISION, BECKMANN INSTRUMENTS INC. und integrierte sie in das Braunschweiger Tochterunternehmen. Das Berkeley-Programm beinhaltete elektronische Zählgeräte und Kernstrahlungsmessgeräte.

1958 wurde dann das endgültige Ende von Günther & Tegetmeyer eingeleitet. Nachdem man das Unternehmen zunächst in das Handelsregister von Frankfurt a.M. übertragen hatte, erfolgte zum 31.12.1958 die Löschung. Die traditionsreiche Braunschweiger Werkstatt für wissenschaftlichen Instrumentenbau hatte damit auch formal aufgehört zu existieren.

                                               
II. Instrumentenbau

Das Engagement von Oscar Günther und Otto Tegetmeyer im wissenschaftlichen Instrumentenbau war kein Zufall. Als sie ihr Unternehmen gründeten, taten sie dies insbesondere wegen der geschäftsträchtigen Aussichten, die sie in aktuellen, sich in einer rasanten Entwicklung befindlichen Forschungsgebieten sahen. Durch eine kluge Geschäftspolitik, man ließ sich Geräteentwicklungen durch Patent schützen und sicherte sich Lizenzen für die Gerätefertigung, brachten die beiden Feinmechaniker ihr Unternehmen in eine exponierte Marktposition. Charakteristisch für die Arbeit von Günther und Tegetmeyer war ihre Aufgeschlossenheit und Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern im Interesse des naturwissenschaftlich-technischen Fortschritts, was letztendlich zum Vorteil ihres Unternehmens geriet.

           

II.1. Elektrometer

Empfindliche, auf das Messen kleiner Ladungsmengen und Ströme ausgelegte Elektrometer erfuhren zunächst mit der Wiederbelebung der luftelektrischen Forschung steigende Verwendung. Mit der Entwicklung der lichtelektrischen Fotometrie erweiterte sich ihr Einsatzgebiet. Nach der Entdeckung der Radioaktivität wurden sie für die auf dem Forschungsgebiet eingesetzten Mess- und Nachweisverfahren geradezu unentbehrlich.


Blättchenelektrometer nach Elster & Geitel
Die Grundlage bildet ein einfaches Blättchenelektroskop, das durch eine Spiegeleinrichtung der Messskala und eine verschiebbare Lupe zu einem sehr genau ablesbaren Instrument ausgebaut ist. Die Isolationsteile sind aus Bernstein gefertigt. Für zusätzliche Isolation sorgt eine Natrium-Trockeneinrichtung.

Wulf – Fadenelektrometer
1906 übernahm Günther & Tegetmeyer von Theodor Wulf (1868-1946) die Ausarbeitung eines von ihm neu erfundenen Elektrometerprinzips. Die Idee von Wulf bestand darin, zwei unmittelbar nebeneinander befindliche und an den Enden miteinander verkittete Metallfäden zu verwenden. Bei Erteilung einer elektrischen Ladung bauchen sich die Elektrometerfäden infolge der Abstoßungskräfte aus. Für die mechanische Spannung sorgt ein Quarzbügel, der am Gehäuseboden fixiert ist. Als Nebeneffekt dieser für Günther & Tegetmeyer patentierten Fadenbefestigung ist das Gerät unempfindlich gegen Neigungen und Erschütterungen.

Schlingenelektrometer
Ab etwa Mitte 1924 bot Günther & Tegetmeyer ein Elektrometer an, das Werner Kolhörster (1887-1946) entwickelt hatte. Die Anzeige bilden zwei sich diametral dicht gegenüberstehende Schlingen dünner Metallfäden. Die Schlingenform erteilt ihnen die Biegeelastizität und dient als Gegenkraft zu den elektrostatischen Kräften.
Das Instrument wurde auch als Einschlingen-Typ hergestellt.

                                               

II.2. Strahlungsmessinstrumente

Günther & Tegetmeyer spezialisierte sich auf „Ionisationsapparate zur Bestimmung der Radioaktivität von Luft-, Wasser- und Bodenproben.“ Mit den Ionisationsapparaten begleitete Günther & Tegetmeyer die frühe Phase der Strahlenforschung.
Einen weiteren Schwerpunkt bildeten Instrumente, die zur Messung der Gamma-Strahlung eingesetzt wurden. Mit derartigen Instrumenten war die Braunschweiger Feinmechanikwerkstatt unmittelbar an der Entdeckung und der Erforschung der kosmischen Strahlung beteiligt.

Ionisationsapparat nach Elster & Geitel

Fontaktoskop nach Engler und Sieveking

Reisefontaktoskop nach Kohlrausch und Loewenthal

Fontaktometer nach Mache und Meyer

Apparat für radioaktive Messungen nach Wulf

Gammastrahlen-Elektrometer nach Wulf und nach Kolhörster

                                               

II.3. Lichtelektrische Fotometer

Am Anfang der Entwicklung lichtelektrischer Fotometer steht die bei Experimenten mit Fotozellen von Elster und Geitel (1890) gewonnene Erkenntnis, dass diese peinlichst von jeder Spur Nebenlicht abgeschirmt werden mussten. Die lichtelektrische Zelle wurde darauf bei Oscar Günther in einer dosenförmigen Kapsel eingeschlossen. Das zu fotometrierende Licht wurde über einen Tubus auf die Kathode der Fotozelle geleitet. Die Zellenkapsel wiederum lagerte Günther horizontal und vertikal drehbar in einem theodolitartigen Stativ. Zur genauen Ausrichtung auf eine Lichtquelle stattete er die Zellenkapsel mit einem kleinen Fernrohr mit Mattscheibe und Fadenkreuz aus.

Derartige Fotometer wurden bis etwa 1912 bei Günther & Tegetmeyer gebaut. Danach verwendete man ein praktischer zu handhabendes quaderförmiges Gehäuse.
Auf Anregung von Carl Dorno (1865-1942) in Davos, der lichtelektrische Fotometer zur Erforschung von Einflüssen der Sonneneinstrahlung auf bioklimatische Verhältnisse einsetzte, erhielt das Instrument eine Viertelkreisscheibe mit Gradeinteilung zur Ablesung der Vertikalneigung und einen Gradkreis am Stativfuß zur Bestimmung der horizontalen Verschwenkung des Fotometers bei der Sonnenverfolgung. Ebenfalls auf eine Anregung Dornos zurückgehend, erhielt der Lichttubus eine Scheibe, die die Fotozellenkapsel vor direkter Sonneneinstrahlung abschirmen und damit ihre Erwärmung verhindern sollte.

Erstmals 1913 (und ab 1924 in veränderter Ausführung) fertigte man bei Günther & Tegetmeyer nach Vorgaben von Paul Guthnick (1879-1947) Fotometer mit Anschluss an Teleskoprefraktoren.

                                               
                                               
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Rudolf Fricke


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