Theodor Wulf
Pater S.J.
1868 – 1946 |
Er war Jesuit und über viele Jahre für die Verwaltung der
niederdeutschen Provinz seines Ordens zuständig. In der Geschichte der
Physik hat er seinen Platz als Erfinder eines Zweifaden-Elektrometers,
mit Instrumenten zur Radioaktivitätsmessung, sowie mit Beiträgen die für
die Entdeckung der extraterrestrischen Strahlung von Bedeutung waren.
Kaum weniger bedeutend sind die von ihm für den physikalischen
Schulunterricht entwickelten Experimente. Besonders nachhaltig wirkte
hier seine Erfindung eines Universalelektroskops. Knapp fünfzig Publikationen in Fachzeitschriften dokumentieren seine wissenschaftlich forschende, wie lehrende Arbeit als Physiker. Seine ganze Erfahrung als Physiker und Lehrer legte er in ein LEHRBUCH DER PHYSIK, das 1926 in Erstauflage erschien. Ein weiteres Buch, mit dem Titel DIE BAUSTEINE DER KÖRPERWELT, in dem er versuchte Erkenntnisse aus der Atomphysik in ein Weltbild zu fügen, entsprang dem Philosophen in Wulf. |
||||||||
Theodor Bernhard Wulf wurde am 28. Juli 1868 in Hamm/Westfalen geboren.
Seine Eltern waren der Wiegemeister Carl Wulf und dessen Ehefrau Anna,
geborene Wenker. Ab Ostern 1884 besuchte er das Knabenseminar am
Gymnasium Theodorianum in Paderborn. An dieser humanistisch
ausgerichteten Lehranstalt wurden, zur Vorbereitung auf das Priesteramt,
auch theologische Weltanschauungen vermittelt. Aus dieser Tatsache lässt
sich wohl ableiten, dass Wulf schon früh seine Lebensplanung auf die
katholische Kirche ausrichtete.
Gleich nach dem Abitur trat er am 8. April
1888 in Blijenbeek der Gesellschaft Jesu bei. Während des folgenden
Noviziats studierte er in Wijnandsrade Humanistik und Rhetorik; von 1890
bis 1893 Philosophie in Exaten. Seine Probezeit (Interstitium)
absolvierte er in Feldkirch. Von 1897 bis 1901 studierte er Theologie am
Ignatius-Kolleg, der Ordenshochschule der deutschen Jesuiten in
Valkenburg (Limburg-Niederl.). Ende August 1900 erfolgte die
Priesterweihe. Von 1904 bis 1914 lehrte er am Ignatius-Kolleg Physik und
von 1918-1935 Physik und Naturphilosophie. Während des 1. Weltkrieges
musste er seine Lehrtätigkeit ruhen lassen, weil er als Pfarrer und
Sanitäter am Frankreichfeldzug teilnahm. Für sein seelsorgerisches
Engagement wurde er mit dem Eisernen
Kreuz I. Klasse ausgezeichnet.
1935 übernahm Theodor Wulf die Verwaltung der Valkenburger
Jesuitenresidenz (Hausminister). Schon ein Jahr später wurde er als
Stellvertreter des Provinzials der niederdeutschen Provinz nach Köln
berufen. 1938 übertrug man ihm die Position des Provinzials. Aus den
Reihen der Jesuiten heißt es, er habe unter schwierigen Gegebenheiten –
nationalsozialistisches Regime, Zweiter Weltkrieg – herausragende
Verwaltungs- und Organisationsfähigkeiten bewiesen. Machtlos musste Wulf
hinnehmen, wie von den nationalsozialistischen Machthabern acht
Jesuitenresidenzen seines Zuständigkeitsbereiches geschlossen wurden. |
|||||||||
1942 legte Theodor Wulf das Amt des Provinzials nieder. Im Juni 1943 zog
er sich in das Josephs-Hospital in Hallenberg im Sauerland zurück. Hier
wirkte er als Krankenhausseelsorger, bis im Herbst 1944 gravierende
gesundheitliche Probleme auftraten. Nach einjähriger, dauerhafter
Bettlägrigkeit ist Theodor Wulf am 14. Juni 1946 gestorben. Seine letzte
Ruhestätte fand er in Büren. |
Grabstätte Wulf in Büren. |
||||||||
Bereits am Gymnasium in Paderborn hatte Wulf mit einer
mathematisch-naturwissenschaftlichen Begabung auf sich aufmerksam
gemacht. Auch unter den Jesuiten erkannte man diese Begabung und
ermöglichte Theodor Wulf ein entsprechendes Studium. So konnte er ab
1894 an der Universität von Innsbruck in den Fächern Mathematik, Physik,
Meteorologie und Astronomie studieren. Am 9. November 1897 schloss er
das Studium mit der Lehramtsprüfung in Mathematik und Physik ab. Ein
zweites Hochschulstudium absolvierte er von 1901 bis 1904 in Göttingen.
Als sich Wulf in Göttingen mit der lichtelektrischen Photometrie
befasste, wurden ihm Unzulänglichkeiten in der Messtechnik bewusst. Man
verwendete Quadranten- und Blättchenelektrometer. Deren erforderliche
vorherige Justierung nahm viel Zeit in Anspruch. Während einer laufenden
Messwertaufnahme waren jegliche Berührungen und andere Störeinflüsse auf
die Instrumente zu vermeiden.
Wulf hatte dann die Idee,
zwei an den Enden miteinander verklebte
Metallfäden für die Ladungsanzeige zu verwenden: Bei Erteilung einer
elektrischen Ladung bauchen sie sich infolge der Abstoßung aus. Ein
kleines Gewicht am unteren Ende des Fadenpaares sollte die Fäden
parallel zueinander halten, sodass leichte Neigungen und Erschütterungen
nach der Überlegung Wulfs nicht mehr ins Gewicht fallen dürften. 1906
gab Theodor Wulf den Bau eines Zweifaden-Elektrometers bei der Firma
Günther & Tegetmeyer in Braunschweig in Auftrag. Um die Pendelbewegung
der Elektrometerfäden zu begrenzen, fixierte man dort das untere Ende
des Doppelfadens an einer elastischen Quarzschlinge. Ihre mechanische
Spannung lieferte nun die Gegenkraft zu den elektrostatischen
Abstoßungskräften zwischen dem Fadenpaar.
Wie sich zeigte, wurden Wulfs Erwartungen an die Funktionalität des
Instruments noch weit übertroffen: Man konnte es ohne Schutzvorkehrungen
für die Elektrometerfäden transportieren, es war sofort einsetzbar, es
funktionierte auch bei einer Schrägaufstellung zuverlässig, es hatte
einen großen Messbereich und reagierte auf kleinste Ladungsmengen. Kurz,
das Elektrometer war von einzigartiger Qualität. In einer Art logischer
Schlussfolgerung übertrug Wulf darauf die elastische Fadenfixierung auch
auf Elektrometer mit nur einem Faden.
Überall dort, wo Elektrometer zur Messung kleinster elektrischer Ströme
eingesetzt wurden (lichtelektrische Photometrie, atmosphärische
Elektrizität, Radioaktivität) gehörten Wulfsche Elektrometer bald zum
Standard. Ideenreich lieferte auch Wulf selbst zahlreiche
Einsatzmöglichkeiten und Zusatzgeräte für seine Fadenelektrometer. |
|||||||||
Zweifaden-Elektrometer Einfaden-Elektrometer |
|||||||||
Nicht zuletzt durch die Wulfschen Elektrometer in Verbindung mit
Strahlungsmessinstrumenten gelang es, Beziehungen zwischen
der luftionisierenden Strahlung der Radioaktivität, dem Vorkommen
von Radionukliden in der atmosphärischen Luft und der atmosphärischen
Elektrizität zu belegen. Eine in dem Zusammenhang gefundene, sich der
Gammastrahlung an Durchdringungsfähigkeit noch weit überlegen
präsentierende Strahlung und dessen unerklärliche Quelle, ließen
Spekulationen über einen kosmischen Ursprung aufkommen. Wulf interessierte die Sache sehr. Er entwickelte ein spezielles Gammastrahlen-Elektrometer mit dem bewährten Zweifadensystem und sammelte damit Messdaten auf unterschiedlichen Höhenniveaus. Berühmt geworden sind seine damit in Verbindung stehenden Messungen auf dem Eifelturm, im Jahre 1910. Es blieb dann aber anderen Wissenschaftlern (Hess, Kolhörster) vorbehalten, den extraterrestrischen Ursprung der Strahlung nachzuweisen. |
|||||||||
Strahlungsapparat Gammastrahlen-Elektrometer Universalelektroskop . |
|||||||||
1925 stellte Wulf den beiden Fadenelektrometern und dem
Gammastrahlen-Elektrometer ein speziell für den Schulunterricht
konzipiertes Universalelektroskop hinzu. Es war ein Mittelding zwischen
einem Blättchenelektroskop und einem Einfadenelektrometer: Ein sehr
schmales Aluminiumblättchen ist an seinem oberen Ende an einem
Metallstab befestigt, an seinem unteren Ende von einem Quarzbügel
elastisch an dem Metallstab gehalten. Wird das System geladen, stößt
sich das Blättchen gegen die Haltespannung des Quarzbügels von dem
Metallstab ab. Bei Erreichen einer durch Abstandswahl regulierbaren
Ladung stößt das Blättchen gegen eine geerdete Kontaktfläche und entlädt
sich. Der Quarzbügel zieht das Blättchen wieder an den Metallstab heran.
Die Fadenreaktion erfolgt so schnell, dass sich beispielsweise durch das
Zählen der Lade-/Entladeabfolgen unmittelbar Ladungsmengen bestimmen
lassen. Eine Option, die erst dieses Wulfsche Universalelektroskop in
der Einfachheit bot. Um die Elektroskopreaktionen einem größeren
Beobachterkreis zugänglich zu machen, ließ sich leicht ein Schattenbild
des elastisch gehaltenen Blättchens projizieren.
rf (Juli 2010) |
|||||||||
Sie haben eine Frage zu dem Beitrag? Sie haben weitere Informationen
zu Theodor Wulf?!
Dann schreiben Sie bitte an:
Rudolf Fricke |