Walkhoff
Friedrich Otto
geb. 23. April 1860 in Braunschweig
gest. 8. Juni 1934 in Berlin-Lichterfelde |
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Zahnarzt, Pionier der
Röntgen-Zahndiagnostik, engagierter Vertreter seines Berufsstandes © Rudolf G. A. Fricke |
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Er war der Sohn eines im Dienste der herzoglich braunschweigischen
Landesökonomie-Kommission stehenden Revisors. Noch nicht ganz zwei Jahre
alt, starb Otto Walkhoffs Mutter. Eine ältere Schwester der Mutter
übernahm in der Familie[1] (es gehörten noch eine ältere Schwester und ein
älterer Bruder dazu) die Haushaltsführung und wurde alsbald auch seine
Stiefmutter.
Otto Walkhoff besuchte zunächst die vierjährige Grundschule an einer
Braunschweiger Bürgerschule. Durch die berufliche Tätigkeit des Vaters
kam er 1870 nach Höxter, wo er in das dortige Gymnasium eingeschult
wurde.
Auf dem Gymnasium zeigte er eine besondere Neigung zur Physik und der
Elektrotechnik. Diese Neigung blieb sein gesamtes Leben erhalten und hat
ihn vielleicht später zur Beschäftigung mit der Fotografie, der
Röntgenstrahlung und der Radioaktivität motiviert. Angeregt durch den
mit seinem Vater befreundeten Braunschweiger Zahnarzt Dr. Wilhelm
Niemeyer, ging er aber beruflich in die Zahnmedizin.
In der Zahnarztausbildung gab es damals noch keinen verbindlichen
Studienplan. Vielerorts waren sogar noch Dentisten am Werk, die kein
medizinisches Examen vorzuweisen hatten. Otto Walkhoff nun, erwarb sich
zunächst fundierte Grundlagenkenntnisse in der Zahnheilkunde, indem er
bei dem renommierten Berliner Zahnarzt Prof. Dr. Carl Sauer (1835-1892)
ein „Praktisches Jahr“ absolvierte. Anschließend schrieb er sich an der
Berliner Hochschule ein und besuchte für die zahnärztliche Tätigkeit
relevante Vorlesungen. Für sein Streben nach einer hochqualifizierten
Ausbildung spricht, dass er sich solchen Koryphäen wie dem Physiologen
Emil du Bois-Reymond (1818-1896), dem als Physikpapst apostrophierten
Hermann von Helmholtz (1821-1894) und dem Begründer der Pathologie
Rudolf Virchow (1821-1902) zuwandte. Auch die Veranstaltungen von Prof.
Sauer an dem von diesem betreuten „Institut für technische Zahnmedizin“
besuchte er, gelangte hier alsbald in die Position des persönlichen
Assistenten Sauers.
Nach bestandenem Staatsexamen als Zahnarzt (31.3.1881) und der
Approbation arbeitete Otto Walkhoff weiter bei Sauer - in dessen Praxis
und dem Universitätsinstitut -; zwecks Erweiterung seines zahnärztlichen
Erfahrungsschatzes aber auch bei anderen Zahnärzten. Zwischenzeitig,
1881-1882, leistete er seinen Wehrdienst als einjährig Freiwilliger ab.
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Otto Walkhoff und Ehefrau Gertrud, geb. Sauer |
Am 18. September 1885 heiratete Otto Walkhoff Gertrud Sauer, eine Tochter seines
Lehrers Prof. Sauer. Im selben Jahr ließ er sich als Zahnarzt in Braunschweig
nieder, wo er in der Monumentsstraße die Praxis seines Mentors Niemeyer
übernehmen konnte. Schon kurze Zeit darauf richtete er sich in einem Nebenraum
der Praxis ein Forschungslabor ein. Nach Erledigung des beruflichen Alltages
widmete er sich darin, nicht selten bis in die späte Nacht hinein,
fachwissenschaftlichen Forschungen.
Die Anatomie und Histologie des Zahnapparates bestimmte in der ersten Zeit seine forschende Tätigkeit. Mit Publikationen, unter anderem über den Feinbau des Zahnschmelzes und mit einem histologischen Atlas der Zähne profilierte er sich als Wissenschaftler. Er war einer der ersten, der die Fotografie für die Herstellung mikrofotografischer Zahnbilder nutzte. |
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Ein herausragendes Verdienst Walkhoffs in der Frühzeit seiner wissenschaftlichen Laufbahn ist die Anwendung der Röntgenstrahlen in der Stomatologie. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Entdeckung Röntgens, hat er in Braunschweig zusammen mit seinem Freund, dem Chemiker Friedrich Giesel (1852-1927), an dessen improvisiert zusammengestelltem Röntgenapparat seine eigenen Zähne intraoral fotografiert. „Die notwendige Expositionszeit von 25 Minuten (!) war eine Tortur“, beschrieb er später die in Fachkreisen als sensationell aufgenommene Pioniertat. Qualitativ schon deutlich verbesserte Aufnahmen, die er bald danach mit einer selbst angeschafften Röntgeneinrichtung anfertigte, führte er im April 1896 auf einer Zahnärztetagung vor. |
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Walkhoff arbeitete intensiv an der Entwicklung der zahnmedizinischen
Röntgendiagnostik. Mit qualitativ immer besseren Aufnahmen von Zähnen,
Schädelknochen und deren diagnostischer Interpretation lieferte er entscheidende
Impulse für die Zahnheilkunde, sich der Röntgentechnik zu bemächtigen. In seiner
Praxis betrieb er bald eine von der gesamten Braunschweiger Ärzteschaft in
Anspruch genommene Röntgenstation. |
Exkurs: |
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Die gleiche Aufmerksamkeit wie die Entdeckung der Röntgenstrahlen weckte bei
Walkhoff die Entdeckung des Radiums durch die Curies im Jahre 1898. 1900
publizierte er in einer fotografischen Fachzeitschrift den Inhalt eines
Vortrages von ihm über „unsichtbare photographische Strahlen“. Er beschrieb
darin eine in mehreren Punkten bestehende Ähnlichkeit der physikalischen
Wirkungen der Röntgenstrahlen und der vom Radium ausgehenden Strahlung. Aus den
Ähnlichkeiten leitete er die Vermutung ab, auch mit Radium gewebsverändernde
Wirkungen zu erhalten, wie man sie an röntgenstrahlenexponierten Personen
beobachtete.
Er überprüfte seine Vermutung in einem Selbstversuch, indem er ein
Radiumpräparat auf seinem Arm fixierte: „Eine zweimalige, 20 Minuten dauernde
Bestrahlung des Armes erzeugte eine jetzt schon zwei Wochen bestehende
Hautentzündung, welche ganz dieselben Erscheinungen aufweist, wie sie nach
langdauernden Röntgenbestrahlungen auftreten.“
In einem Rückblick kam Walkhoff 1928 noch einmal auf diesen Selbstversuch zu
sprechen: „Ich konnte zunächst die außerordentliche Wirkung des Radiums auf die
Haut meines Unterarmes feststellen, nachdem ich das in einer Kapsel
eingeschlossene Präparat zehn Minuten auf denselben einwirken ließ." In der
Rückschau beantwortet Walkhoff auch die sich aufdrängende Frage, wie er als
Zahnarzt unmittelbar nach Entdeckung des Radiums in den Besitz derartigen
Materials gelangt war: „Dr. Giesel [jener Freund, der schon bei der
Erstellung der ersten Röntgenaufnahmen assistierte] hatte die
Freundlichkeit, mir 0,2 g des jetzt von den Physikern vielbegehrten [von
ihm selbst dargestellten] Radiums für physiologische Untersuchungen zur
Verfügung zu stellen.“
Die von Walkhoff eingeleiteten Untersuchungen zu gewebsverändernden Effekten der
Radiumstrahlung fanden auf vielen medizintherapeutischen Ebenen ihre
Fortsetzung.
Von gleicher Tragweite wurden Walkhoffs Experimente an Mäusen. Hier beobachtete
er nämlich, dass von einer Population krebskranker Tiere, jene signifikant
später starben, die einer Radiumstrahlung ausgesetzt waren. Er leitete damit die
Entwicklung der Radiumtherapie zur Behandlung von Tumoren ein.
Angesichts der fundamentalen Arbeiten Walkhoffs, verliehen ihm wissenschaftliche
Gesellschaften und Standesorganisationen Auszeichnungen, ernannten ihn zum
Ehrenmitglied. Der Regent des Herzogtums Braunschweig würdigte die
wissenschaftlichen Leistungen Walkhoffs 1895 mit der Ernennung zum Hofzahnarzt.
Mit Energie und Ausdauer widmete sich Walkhoff auch Problemen seines
Berufsstandes. Damit knüpfte er unmittelbar an das Engagement seines
Schwiegervaters an, der beispielsweise für eine verbindliche universitäre
Ausbildung von Zahnärzten kämpfte. Dem Einsatz Walkhoffs ist es dann maßgeblich
zuzuschreiben, dass der Zahnärztestand 1918 durch die Promotionsmöglichkeit zum
„Doctor medicinae dentariae“ in den Kreis der Vollakademiker aufgenommen wurde.
Er selbst hatte am 26. Mai 1897 noch an der philosophischen Fakultät der
Universität Erlangen mit einer Dissertation „Beiträge zum feineren Bau des
Schmelzes und zur Entwicklung des Zahnbeins“ promoviert. In Erlangen auch,
habilitierte er 1900 in Zahnheilkunde.
Verschiedentlich hatte er während seiner Braunschweiger Zeit von Hochschulen das
Angebot bekommen seine Arbeit an deren jeweiligem zahnärztlichen Institut
fortzusetzen, diese Angebote aber stets abgelehnt. 1901 dann, gab Otto Walkhoff
seine florierende Privatpraxis auf und folgte einer Berufung an die Universität
München, als Leiter der konservierenden Abteilung des zahnärztlichen Instituts,
nebst einem Lehrauftrag für „konservierende Zahnheilkunde“. Es muss für ihn ein
sehr attraktives Angebot gewesen sein, denn er nahm für den Wechsel nach München
deutliche Einkommensverluste in Kauf.
Am 31. März 1903 verlieh ihm die Münchner Universität den Titel »Professor«, man
ernannte ihn zum Dr. med. h.c. und zum königlich bayerischen Hofrat. Walkhoff scheint im Umgang nicht einfach gewesen zu sein. Verschiedentlich wird in biografischen Beschreibungen ein eigenwilliges Verhalten angedeutet. Vielleicht daraus resultierender Ärger, den er selbst als Missgunst gegen seine Person deutete, brachte ihn dazu, 1922 als Direktor und Ordinarius für Zahnheilkunde an die Universität von Würzburg zu wechseln. Aber auch hier kam es alsbald zu Ärgernissen. Im Zusammenhang mit der Habilitation eines Kollegen geriet Walkhoff mit Vertretern der Bayerischen Volkspartei in so heftige Zwistigkeiten, dass er 1927 verärgert und frustriert alle seine Ämter niederlegte, seine Lehrtätigkeit beendete (30.9.1927 Emeritierung) und sich ins Privatleben nach Berlin-Lichterfelde zurückzog. |
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In seinem Privatlabor, im vormaligen Hause seiner Schwiegereltern (Potsdamer
Str. 59), befasste er sich aber weiter mit zahnmedizinischen Projekten. So hatte
er 1891 eine Mischung aus Chlorphenol, Kampfer und Menthol (CHKM) entwickelt,
die bei Zahnwurzelbehandlungen zum Einsatz kam. 1928 nun, modifizierte er die
Rezeptur mit einer Beigabe von Jod. Diese bakterienabtötende Walkhoffsche
Jodoformpaste kommt noch heute in Zahnarztpraxen zum Einsatz.
Am 8. Juni 1934 ist Otto Walkhoff an Herzversagen gestorben. Seine letzte
Ruhestätte fand er auf dem Parkfriedhof Lichterfelde. |
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Literatur/Quellen (Auswahl):
* G. Rohrmeier: Friedrich Otto Walkhoff (1860-1934) – Leben und Werk,
Inaugural-Dissertation; Würzburg, 1985
* O. Hahn: Einige persönliche Erinnerungen aus der Geschichte der natürlichen
Radioaktivität; Naturwiss. Rundschau 35 (1948), 67-74
* Kirschners dt. Gelehrtenkalender, Jg. 4, 1931
* P. Hauser: Die Bedeutung Frankfurter Forscher für die Einführung der
Röntgenologie in die Zahnheilkunde. In: Goerke, H und Müller-Dietz, H. (Hrsg.):
Verhandlungen XX. Internationaler Kongreß für Geschichte der Medizin. Georg Olms
Verlagsbuchhandlung, Hildesheim 1968, S.553-561.
* H. S. London: Zur Lehre von den Becquerelstrahlen
und ihren physiologisch-pathologischen Bedeutungen; Berl. klin.
Wschr.
40 (1903), 523-524.
* R. F.
Rezai: Tribute to dental pioneer Friedrich Otto Walkhoff; Quintess.
Internat. Dent. Dig. 15 (1984), 655-657
* O. Walkhoff: Röntgen– und mikroskopische Aufnahmen; Deutsche Monatsschrift für
Zahnheilkunde, 1897
* O. Walkhoff: Aufnahme der Gesichtsknochen mit Röntgenstrahlen;
Korrespondenzblatt für Zahnärzte 27, 1898, H. 2 S. 97– 99
* O. Walkhoff: Unsichtbare, photographisch wirksame Strahlen; Photograph. Rdsch.
14 (1900), 189-191.
* O. Walkhoff: Die erste biologische Radiumwirkung; Deutsche Zahnärztliche
Wochenschrift 16 (1913) Nr. 36, S. 637-638 und Münchner Medizinische
Wochenschrift 60 (1913) Nr. 36, S. 2000
* O. Walkhoff: Altes und Neues vom Röntgenverfahren in der Zahnheilkunde;
Deutsche Medizinische Monatschrift der Zahnheilkunde 35 (1915) H. 8, S. 353–360
* O. Walkhoff: Die erste Anwendung der Röntgenstrahlen und des Radiums in der
Zahnheilkunde; Korrespondenzblatt für Zahnärzte 52 (1928) H. 10, S. 307-310 |
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