Sein Geburtsort liegt in
einer Region des Thüringer Waldes, die für ihre Glaskunst berühmt ist.
Der Familientradition folgend, erlernte er das Glasbläserhandwerk; wie
es üblich war, bei Familienangehörigen. Seine letzte Station war die
Werkstatt des Geißler-Nachfolgers Franz Müller (1838-1906) in Bonn. Sie war
Anziehungspunkt für begabte Glasbläser, eine Art Meisterschule.
Interessanterweise ließ er sich hier mit der Berufsbezeichnung Kaufmann
in das Einwohnerverzeichnis eintragen. Dies verweist bereits auf das
Bestreben, eigene Fabrikationen zu vermarkten.
Zur Ausbildung
seiner kaufmännischen Kenntnisse besuchte er Kurse an
Wirtschaftsschulen, darunter in England und Ungarn. Auch an seinen
naturwissenschaftlichen Kenntnissen, die ihm als Instrumentenbauer und
–konstrukteur zugute kamen, die ihm die wissenschaftliche Durchdringung
seiner Fabrikate ermöglichten, arbeitete er. Müller-Uri besuchte in Bonn
Physikvorlesungen bei Heinrich Hertz (1857-1894) und Vorlesungen in Chemie bei
August Kekulé von Stradonitz (1829-1896).
1894 folgte Richard Müller-Uri
dem Ruf seines Vetters Louis Müller-Unkel (1853-1938) und stieg als Teilhaber in
dessen Geschäft in Braunschweig mit ein. Unterschiedliche Auffassungen
über die Unternehmensführung zwischen ihnen sorgten dafür, dass sich beide nach nur wenig mehr als einem
Jahr wieder trennten. Müller-Uri gründete nun in Braunschweig
eine eigene Produktionswerkstatt für Gasentladungsröhren, die er auf den
„Handel mit chemischen und physikalischen Apparaten und Utensilien“
ausweitete.
Er firmierte damit zunächst in der Rebenstraße, 1900 erwarb
er ein Haus in unmittelbarer Nachbarschaft zur Hochschule,
in der Schleinitzstraße. Richard Müller-Uri blieb bestrebt, über
Entwicklungen in der Physik und Technik informiert zu sein. Er besuchte
an der Braunschweiger Technischen Hochschule Vorlesungen und er trat dem
Verein für Naturwissenschaften bei. Geschäftstüchtig nutzte er seine
Hochschulkontakte und seine Mitgliedschaft in dem
naturwissenschaftlichen Verein, indem er regelmäßig über Neuerungen im
Instrumentenbau referierte. Mehrfach hat er an Versammlungen der
Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte teilgenommen und hier
ebenfalls über Produkte aus seiner Werkstatt referiert. Erkannte
er bei den Besuchen von Vorlesungen und wissenschaftlichen Vorträgen
apparative Schwächen gezeigter Demonstrationsexperimente, versuchte er
sie durch eigene Gerätekonstruktionen zu beheben. Beispielsweise
fertigte er Gasentladungsröhren in „extragrossen Abmessungen" an, damit
Entladungserscheinungen „auch für weniger scharfe Augen in den grössten
Auditorien noch auf den weiter abliegenden Plätzen sichtbar" wurden. Für
die Demonstration von Spektralröhren, als ein weiteres Beispiel seiner
technologischen Entwicklungen angeführt, konstruierte er eine Kammer, in
der gleich mehrere Röhren untergebracht werden konnten. Über einen
Revolvermechanismus ließen sich diese der Reihe nach in
Betrachtungsposition bringen. Auf beeindruckende Weise gelang es Richard
Müller-Uri, sich in den rasant entwickelnden Markt für Röntgenröhren
einzuschalten. Er entwickelte eine Röhre, die speziell für die
Strahlenbehandlung von Hauttuberkulose (Lupus) ausgerichtet war.
Insgesamt brachte er 34 durch Patent geschützte Gerätekonstruktionen
heraus.
Müller-Uri scheint mit einer gehörigen Portion
Unternehmermut ausgestattet gewesen zu sein und ein Gespür für
zukunftsweisende Entwicklungen gehabt zu haben. So nahm er ein in
Amerika entwickeltes Beleuchtungssystem in sein Vertriebsprogramm auf,
obwohl dieses von Physikern und Technikern hart kritisiert und
geringschätzig bewertet wurde. Es handelte sich um den Vorläufer unserer
heutigen Leuchtstoffröhren.
Richard Müller-Uri vertrieb neben
eigenen Fabrikaten zunehmend auch Produkte anderer Hersteller. Er baute ein
Unternehmen auf, das man heute wohl kurz als Lehrmittelfirma bezeichnen
würde. Regelmäßig herausgegebene Produktinformationen, ein auf 280
Seiten anwachsender, reich bebilderter und mit mehrsprachigem Index
versehener Katalog, zeugen von einer erfolgreich verlaufenden
Geschäftsentwicklung. Überall auf der Welt, an Schulen, Universitäten
und in Museen, finden sich heute noch Geräte des Braunschweiger
Unternehmens. Das Deutsche Museum präsentiert zwei schöne
Gasentladungsröhren (Blume, elektrisches Ei) in der Dauerausstellung.
Nach seinem Tod übernahm ein Verwandter das Geschäft. Nach dem
Zweiten Weltkrieg in eine immer schwierigere wirtschaftliche Lage
geratend, wurde das
Unternehmen »Richard Müller-Uri – Glastechnische Erzeugnisse,
Laboratoriumsbedarf, Apparate für chem. u. phys., meteorol. u.
bacteriol. Institute« schließlich 1950 aufgegeben und aus dem Handelsregister gelöscht.
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